Newsletter 4/2020: Professionelles Pricing schafft Erträge und sichert Kostenreduzierungen ab
Fokus auf die richtigen Ertragsstellhebel
Trotz aller bekannten Negativauswirkungen der Krise wird es wieder zu einer deutlichen Steigerung der Wirtschaftsaktivität kommen. Die letzten Monate haben bereits in vielen Branchen einen starken Nachholeffekt gezeigt, der Absatzrückgänge im zweiten Quartal z.T. kompensieren konnte. Dies gilt sicherlich nicht für alle Branchen, insbesondere Flug und Reisen, Gaststätten, Hotellerie, Kultur sind nach wie vor sehr stark betroffen wie auch einige Bereich im Einzelhandel. Fragil bleibt die Erholung der Unternehmen mit positivem Trend in jedem Fall. Nachdem sich Unternehmen nach den ersten Krisenphasen auf die neue Situation eingestellt haben, gilt es nun, die zu erwartende Stabilisierung und Hochlaufphase bestmöglich zu managen und schon jetzt die Weichen für die Nachkrisenzeit zu stellen. Wie wichtig diese Vorgehensweise ist, zeigt eine Studie zu den letzten großen Nachfragekrisen in 2002 und 2008. So hat sich die Gruppe (14%) der professioneller agierenden Unternehmen nicht nur schneller erholt, sondern steigerte sogar ihre Profitabilität im Mittel um 3%-Punkte (Quelle: Reeves, M.; Whitaker, K.; Ketels, C.: Companies Need to Prepare for the Next Economic Downturn, Harvard Business Review, April, 2019).
Ansatzpunkte zur Ertragssteigerung bieten sich entlang der typischen Wertschöpfungskette vieler Unternehmen. Auch wenn in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur internen Effizienzsteigerung erfolgreich durchgeführt wurden, bieten sich auf der Kostenseite der Produktion sowie insbesondere des Beschaffungs-/Einkaufsbereichs noch zahlreiche nicht ausgeschöpfte Potenziale. So zeigt die Praxis, dass oft vor allem mittelgroße und kleine Firmen zu teuer einkaufen. Bis zu einer Umsatzgröße von € 100 Millionen gelingt es vielen Unternehmen nicht, Einkauf und Beschaffung effizient darzustellen. Entscheidend ist dabei aber nicht alleine, die Kostenreduzierungspotenziale zu heben, sondern diese gleichzeitig nicht unnötig oder automatisch in Form von niedrigeren Preisen an den Markt weiter zu geben. Es reicht also nicht, auf der Einkaufsseite zu arbeiten. Notwendig ist, auch das Preismanagement zu optimieren. Dadurch kann häufig nicht nur die Gewinnsituation der Unternehmen deutlich verbessert, sondern auch Wachstumsimpulse und -potenziale können realisiert werden. Neue Geschäfts- und Abrechnungsmodelle verstetigen Umsatzströme und ermöglichen so langfristiges Wachstum. Dieses Wachstum gilt es auch durch eine aktive Einbindung des Aftermarket zu unterstützen bzw. voranzutreiben.
Vermeiden Sie das Paradoxon fehlender Ertragssteigerung trotz Kostenoptimierung
Überraschend oft ist als Berater folgende Aussage von Unternehmen zu hören: „Jetzt haben wir im letzten Jahr mit großen Anstrengungen Kosteneinsparpotenziale realisiert – wir finden diese aber nicht in unserem Ergebnis wieder.“ Eine häufige Erklärung liegt in den vorhandenen Preisfindungsprozessen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen begründet. Ohne es zu merken, werden realisierte Kostensenkungen oft durch eine explizit oder implizit genutzte Zuschlagskalkulationen (Kosten-Plus-Preisbildung oder Cost Plus Pricing) an den Kunden weitergereicht.
Das Gefährliche an dieser oft zu findenden Kalkulationssystematik ist, dass die reduzierte Kostenbasis aufgrund des genutzten Kosten-Plus-Preisbildung zu einer ‚automatisierten‘ Absenkung des Preisniveaus führt. Dieses schlägt sich nicht nur in einem rückläufigen Umsatz, sondern sogar in einer Reduzierung des absoluten Gewinns nieder. Aus einer Marktperspektive betrachtet ist dieses Vorgehen zur Preisfindung schlicht unsinnig. Dahinter steckt die falsche Annahme, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden auf den internen Kostenstrukturen des Herstellers basiert. Zudem werden Wettbewerb und relevante Wertigkeiten der angebotenen Produkte inklusive des Markenwerts ignoriert. Man lässt im Falle eines zu geringen Preises Ertragspotenziale ‚auf dem Tisch liegen‘ oder man preist sich mit zu hohen Preisen aus dem Markt. Darüber hinaus erfolgt die Preissetzung oft nach dem Gießkannenprinzip, d. h. undifferenziert über alle Produktgruppen und Kundensegmente hinweg.
Wie lässt sich eine Ergebnisverbesserung auf der Markt- und Kostenseite erreichen?
Benötigt wird daher ein zum Unternehmen passender Preisfindungsansatz, der sowohl das Weiterreichen einer Kostensenkung vermeidet, als auch die vorhandenen Wachstums- und Ertragspotenziale durch eine professionelle Preissetzung realisiert. Zur Erreichung dieser Ziele hat sich ein koordiniertes Vorgehen der Teams auf der Pricing- und auf der Kostenseite bewährt. Nur so lassen sich sowohl strategisch als auch systemseitig die ‚richtigen Pflöcke einschlagen‘, um sowohl die vorhandenen Ertragspotenziale auf der Preisseite zu heben als auch realisierten Effizienzgewinne etwa auf der Einkaufseite absichern. Sobald die strukturellen Schwächen in der bisherigen Preisfindung identifiziert und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet sind, kann man auch mit der Einkaufsoptimierung zu starten.
Die in diesen Bereichen schlummernden Ertragspotenziale sind oft sehr groß. Erfahrungsgemäß lässt sich sowohl auf der Pricing- als auch auf der Kostenseite die Profitabilität um jeweils 2 bis 3 Prozentpunkte verbessern. Laut Statista erzielten mittelständische Unternehmen in Deutschland eine durchschnittliche Umsatzrendite von 4,2% (50 und mehr Mitarbeiter) bzw. 6,2% (10-49 Mitarbeiter) im Jahr 2018. Für diese Unternehmen bedeuten solche Verbesserungen schlicht eine Verdopplung der Profitabilität.
Optimieren Sie das Preismanagement, um Preise profitabel, aber unabhängig von den Kosten zu bestimmen
Um sowohl die realisierten Kostensenkungen abzusichern, als auch Preis- und Wachstumspotenziale auszuschöpfen, gilt es, das eigene Preismanagement im Unternehmen zu optimieren. Je nach Geschäftstyp und Branche bieten sich unterschiedliche Stellhebel in diesem Bereich an. Die Ermittlung des richtigen Angebotspreises, die Festlegung einer Preisliste, die zielorientierte Auswahl der Kundenkonditionen, die Durchsetzung der optimalen Kundenpreise, die Integration von höherer Dynamik im Pricing oder die Implementierung neuer Geschäfts- und Abrechnungsmodelle gehören zu den wichtigsten Ansatzpunkten für eine Optimierung des Preismanagement.
Statt eine kostenbasierte Zuschlagskalkulation anzuwenden, werden je nach Produkt, Wettbewerbssituation, Kundenumfeld oder Vertriebsstrukturen spezifisch passende Value Pricing-Ansätze eingesetzt. Diese verfolgen das Ziel, eine Win-Win-Situation zu schaffen, von der sowohl Anbieter als auch Nachfrager profitieren. Hierbei werden unterschiedliche Kriterien wie Wettbewerbsvorteile, Preiselastizitäten sowie auch die Konkurrenzsituation berücksichtigt. Die Kernaspekte von Value Pricing sind jedoch der Kundennutzen und die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Um die Zahlungsbereitschaft unterschiedlicher Kundensegmente ausschöpfen zu können, ist eine preisliche Differenzierung auf Kundenebene sinnvoll. Dies wird sich jedoch auf Listenpreisebene nur eingeschränkt umsetzen lassen. Kundenindividuelle Konditionen und Kundenpreise sind die effektiveren und effizienteren Differenzierungsebenen.
Eine typische Form des Value Pricing ist werttreiber-basiert und integriert vorhandene Wettbewerbsvorteile, aber auch Wettbewerbsnachteile der Unternehmen in den Preisfindungsprozess. Neben der internen Perspektive hat es sich bewährt, auch die externe Kundenperspektive zu berücksichtigen. Werttreiber-Preismodelle berücksichtigen hierbei sowohl harte, objektive Parameter als auch Softfaktoren wie Marke, Image oder erbrachte Services. Die Grundidee ist: Je nachdem, ob das zu preisende Produkt in einer spezifischen Verkaufssituation über Werttreiber oder Wettbewerbsvorteile verfügt oder nicht, wird der Preis entsprechend nach oben oder auch nach unten korrigiert. Somit lässt sich, basierend auf vorhandenen Werttreibern, eine deutlich differenziertere Preisfindung darstellen, als dieses im Fall des nach dem Gießkannenprinzip agierenden Cost Plus-Pricing möglich ist.
Bei der Bepreisung komplexer Produktportfolios mit bis zu einigen hunderttausend Artikeln ergeben sich besondere Herausforderungen. Es gilt, trotz der großen Komplexität konsistente, ertragsstarke und zugleich wettbewerbsfähige Preissysteme zu entwickeln, die auch im Tagesgeschäft einfach zu nutzen und zu pflegen sind. Dazu bieten sich Leit- und Folgeartikelpreissysteme an. Diese nutzen die Tatsache, dass auch komplexe Produktlandschaften bestimmten Strukturen und Hierarchien folgen. So lässt sich beispielsweise das Produktportfolio eines Werkzeugherstellers auf der Oberebene in Produktbereiche wie Zangen, Schraubendreher, Knarren, etc. einteilen. In den einzelnen Produktbereichen werden dann Unterkategorien etwa nach Größe oder Material des Werkzeugs festgelegt, unter denen dann wiederum bestimmte Varianten angesiedelt sein können. Wichtig ist dabei auch hier, nicht nur technische Kriterien zu berücksichtigen, sondern alle relevanten Aspekte, die den Kundennutzen und die Kundenzahlungsbereitschaft beeinflussen.
Kundenpreise lassen sich systematisch verbessern, indem Transaktionspreise zur Identifikation von Preispotenzialen und Preisrisiken verglichen werden. Dabei steht die Nutzung von intern vorhandenen Daten und Informationen im Vordergrund. Dieses Vorgehen, das auch als Referenz Pricing bezeichnet wird, basiert auf dem Grundsatz, dass innerhalb homogener Transaktionsstrukturen, wie etwa gleiches Produkt, Kundensegment, Region und Vertriebskanal, ähnliche Preise durchgesetzt werden können. Aufgrund zumeist historisch gewachsener Preis- und Konditionenstrukturen ist die Realität in der Regel sehr viel heterogener. Konkret bedeutet dies, dass es in den homogenen Segmenten Abschlüsse gibt, bei denen die Margenqualität deutlich besser ist. Diese Benchmarks dienen nun als Referenzpunkte, um das Margenniveau der vergleichsweise schlechteren Abschlüsse zu verbessern und so ein signifikantes Ertragspotenzial zu heben. Zur Preisdurchsetzung im vertrieblichen Tagesgeschäft ist die Komplexität auf ein Minimum zu reduzieren. Es hat sich bewährt, nutzerfreundliche Tools einzusetzen, welche ertragsstarke Preise sowohl für bisherige als auch für Neuprodukte unter Nutzung etwa eines pragmatischen Ampel-Systems unter Anwendung von vorab festgelegten Korridoren definieren.
Aber nicht nur diese transaktionelle Optimierung der Kundenpreise führt zu besseren Margen, sondern auch die strukturelle Verbesserung von Rabatt- und Konditionensystemen. Leider handelt es sich im Tagesgeschäft bei vielen Unternehmen um keine Systeme mehr, sondern um eine Summe von Einzelfallentscheidungen. Die Folge sind inkonsistente Konditionen, die kaum Strukturen folgen und sich nicht argumentieren lassen. Effektive Konditionensystem sind wert- und leistungsorientiert zu gestalten. Idealerweise folgt die Rabattvergabe dem Grundsatz, dass die Kunden Rabatte entsprechend ihrem Wert für das Unternehmen erhalten. Dabei sollte sich der Kundenwert nicht nur – wie häufig zu beobachten – an Absatz- oder Umsatzvolumen festmachen. Hier können Aspekte wie Lieferanteil, vorhandene und bisher nicht genutzte Potenziale, erbrachte Leistungen wie Lagerhaltung, Markenpflege, Exklusivität oder gemeinsame Aktionen durch höhere Rabatte belohnt werden. Erstaunlicherweise finden sich in der Praxis noch zu wenige Konditionensysteme, die auch auf der Produktseite differenzieren. Hier können Aspekte wie Alleinstellungsmerkmale, Wettbewerbsintensität, Komplexität, Innovationsgrad oder die Position im Produktlebenszyklus eine Rolle spielen. Ertragsstarke, differenzierende Konditionensysteme sollten somit die Einteilung von Kunden in Kundensegmente als auch die Klassifizierung von Produkten in Produktsegmente berücksichtigen. Auch ein internes Rabatt-Benchmarking lässt sich integrieren. Die Schaffung dieser Transparenz und damit Orientierung führt in vielen Fällen zu deutlich geringen Rabatten und signifikanten Verbesserungen der Ertragsqualität.
Mehr Dynamik im Pricing - Optimierung der Preise über die Zeit und Neue Geschäfts- und Abrechnungsmodelle
Ein optimiertes Preismanagement umfasst nicht nur eine verbesserte Festlegung von Angebotspreisen, Listenpreisen oder Kundenpreisen mit den zugehörigen Konditionen, sondern auch mehr Dynamik im Pricing. Hierzu werden Preisstrategien entwickelt, bei denen Unternehmen ihre Preise der aktuellen Markt- und Unternehmenssituation anpassen. Dabei werden Faktoren wie beispielsweise Wettbewerbspreise, Angebot und Nachfrage, Lagerbestände, freie Kapazitäten und andere externe Faktoren, wie etwa Jahreszeit, saisonale Aspekte, Wetter, Tages- und Uhrzeit, regionale Aspekte, etc., mit in die Preisfindung einbezogen. Während diese Ansätze im B2C-Bereich etwa bei großen Onlinehändlern und Plattformen, an Tankstellen in Hotels oder Airlines gängige Praxis sind, steht der B2B-Bereich in vielen Aspekten noch am Anfang. Sicherlich werden stark schwankende Rohstoffpreise bereits heute von B2B-Lieferanten über Preisgleitklauseln an den Kunden weitergegeben. Kundenspezifische Preisverhandlungen und Preisvereinbarungen im Telesales bringen ebenfalls eine gewisse Dynamik in die Preissetzung. Trotzdem gilt es, vermehrt aktuelle Faktoren in die Preisbestimmung zu integrieren, um systematisch bessere Kundenpreise zu erzielen, die im Zeitverlauf entsprechend variieren.
Gerade im B2B-Bereich erscheint eine allzu hohe Ausprägung des dynamischen Pricing, wie es im B2C-Onlinehandel typisch ist, aktuell noch sehr weit von der tatsächlichen Umsetzung entfernt. Aber mehr Dynamik in der Preissetzung wagen, bedeutet allerdings auch, mehr Potenziale durch eine cleverere Differenzierung zu heben. Selbstverständlich gehen diese Preisänderungen nicht immer nur in die eine Richtung, sondern grundsätzlich auf den richtigen Preis.
Im privaten Bereich sind neue Preismodelle und die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung und der daraus resultierenden Veränderungen bereits stark wahrzunehmen. Die Selbstverständlichkeit mobilen Surfens, die zunehmende Bedeutung von Online-Käufen, Preisgabe von privaten Daten und Informationen im Internet, digitale Bezahlformen, Sprachsteuerung und die Nutzung von Musik/Video/TV-Streaming-Diensten zeigen: In der Gesellschaft ist die Digitalisierung bereits fest verankert. Und auch im geschäftlichen Umfeld sowie vermehrt in der Industrie ist sie angekommen.
Gerade im Maschinenbau ist häufig eine hohe Anfangsinvestition durch die Kunden notwendig. Um diese Entscheidungshürde abzubauen, aber auch um die Zyklizität des Absatzes zu verringern, bieten sich Geschäftsmodelle mit regelmäßigen Zahlungsströmen an. Pay-per-use-Modelle können dabei eine Option sein, die beiden Seiten Vorteile bietet.
Stellen Sie jetzt die Weichen für die Nachkrisenzeit
Oberste Priorität in der aktuellen Situation hat die Sicherung des Fortbestands des eigenen Unternehmens. Mindestens ebenso wichtig ist es, Erträge zu sichern und zukünftige Potenziale zu nutzen. Die aktuelle Krise ist nach dem Lockdown-Stillstand primär eine Absatzkrise, die alle Wettbewerber ähnlich oder gleich trifft. Es gilt, bereits jetzt die Zeit nach der Krise im Blick zu haben und die Weichen richtig zu stellen. Eine Bestandsaufnahme und Analyse schafft Transparenz über die bestehenden Schwachpunkte und Verbesserungspotenziale. Hieraus werden konkrete Arbeitspakete abgeleitet und hinsichtlich ihres Ertragspotenzials und notwendigen Bearbeitungsaufwands priorisiert. Quick Wins lassen sich oft schon während der Bestandaufnahme umsetzen. Die schlummernden Ertragspotenziale sind oft sehr groß. Erfahrungsgemäß lässt sich sowohl auf der Pricing- als auch auf der Kostenseite die Profitabilität um jeweils mehrere Prozentpunkte verbessern.
Autoren:
Dr. Bernhard Ebel, geschäftsführender Parter
Prof. Dr. Markus B. Hofer, geschäftsführender Partner
Dieter Lauszus, Partner
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