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Newsletter 2/2021: Trends im Preismanagement.

Die Veränderungen im Preismanagement waren vielleicht noch nie so gravierend wie diejenigen, die durch die Möglichkeiten der Digitalisierung schon ausgelöst und beeinflusst wurden und durch die zukünftigen Trends noch werden. Diese sollten von den Unternehmen als Chance verstanden werden, das Pricing potenzial- und marktorientierter auszugestalten, um mehr Wachstum zu schaffen und die eigene Profitabilität zu stärken. Wir erwarten dabei eine Reihe von interessanten Trends auf die Unternehmen zukommen.

 

Trend 1: Kundennutzen und Zahlungsbereitschaften werden durch einen verstärkten Einsatz von Value Pricing an Bedeutung zunehmen.

Beim Value Pricing stehen Kundennutzen und Zahlungsbereitschaft der Kunden im Mittelpunkt der Preisfindung. Gerade da der Preis nicht auf Basis von Kosten mit einem Gewinnaufschlag festgelegt wird (Kosten-plus Pricing), lässt sich über diesen Ansatz der Mehrwert der eigenen Produkte gezielt ermitteln und im Preis berücksichtigen. Typische Formen des Value Pricing sind werttreiberbasierte/nutzenbasierte Ansätze, Leit- und Folgeartikelpreissysteme oder Referenz Pricing, das auf dem Grundsatz basiert, dass innerhalb homogener Transaktionsstrukturen, wie etwa gleiches Produkt, Kundensegment, Region und Vertriebskanal, ähnliche Preise durchgesetzt werden können. Dieses Value Pricing beeinflusst nicht nur das gesamte Preismanagement, sondern alle Bereiche von der Value Creation bis hin zum Value Selling. Vor allem aber wird die bisher noch häufig angewendete kostenbasierte Zuschlagskalkulation durch einen kundenorientierten und nutzenbasierten Ansatz abgelöst, in dem Preis-Mengen-Zusammenhänge oder Preiselastizitäten eine wichtige Rolle einnehmen.

 

Trend 2: Unternehmen nutzen mehr die Möglichkeiten zielgerichteterer und dynamischerer Preisdifferenzierung auf Produkt-, Kunden- und Marktebene.

Obwohl Preisdifferenzierung bereits seit vielen Jahren zum Standardrepertoire im Preismanagement gehört, schöpfen immer noch nicht alle Unternehmen sämtliche Möglichkeiten dieses Preisinstruments aus. Potenziale liegen vor allem in der zielgerichteteren Differenzierung von Preisen für unterschiedliche Produktsegmente, Kundengruppen, Marktsegmente und Regionen. Umsetzen lassen sich verschiedene Preise unter anderem durch kundenspezifische Angebote, differenzierende Rabatte und Nachlässe oder unterschiedliche (Landes-)Listenpreise. Ein optimiertes Preismanagement umfasst nicht nur eine verbesserte Festlegung von Angebotspreisen, Listenpreisen oder Kundenpreisen mit den zugehörigen Konditionen, sondern auch mehr Dynamik im Pricing. Hierzu werden Preisstrategien entwickelt, bei denen Unternehmen ihre Preise dynamischer der aktuellen Situation anpassen (‚Dynamic Pricing‘). Onlinehändler nutzen das dynamische Pricing bereits sehr erfolgreich bei der Festlegung ihrer Preise. Fluggesellschaften, Hotels, Leihfirmen, etc. bietet Yield Management die Möglichkeit, ihre Preise jeweils mit dem aktuellen Buchungsstand abzugleichen und anzupassen. Einen Schritt weiter geht die Preisindividualisierung, die kunden- und situationsspezifisch ‚individuelle‘ Preise festlegt.

 

Trend 3: Entscheidungen und Prozesse laufen zukünftig datenbasierter und softwaregestützt ab.

Die zunehmende Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren bereits eine Reihe von Veränderungen im Preismanagement hervorgebracht. Auf verschiedenen Ebenen werden diese heute schon deutlich sichtbar. Zum einen auf der Datenebene, die deutlich umfangreicher geworden ist und so bessere Einblicke in die Kunden und das eigene Unternehmen zulässt. Zum zweiten auf der Transparenzebene, die die Informationen über die eigenen Produkte und Preise dem Markt und dem Wettbewerb zugänglich macht, die jedoch auch die legal beschaffbaren Produktpreise von Mitbewerbern für die eigene Preissetzung offenlegt (Webcrawling/Preiscrawling). Zum dritten die Prozessebene, die durch hohe Hardware-Power und entsprechende Data Analytics Software/Pricing Software die Auswertung und Nutzung des Datenschatzes im Rahmen von Big Data Analysen erst ermöglicht. Zukünftig wird es verstärkt darum gehen, die riesigen Datenmengen zielgerichtet auszuwerten und für die Preissetzung nutzbar zu machen (Smart Data Analysen). Eine stärkere Automatisierung wird die händische Festlegung von (Standard-)Preisen weitgehend ablösen (Automated Pricing). Mit der Etablierung dieses softwaregestützten Pricing-Ansatzes werden zunehmend Algorithmen Einzug in die Preissetzung halten und den Weg für Machine Based Learning und künstliche Intelligenz im Preismanagement ebnen. Die richtige Auswahl und die optimale Implementierung der Pricing Software wird zu einer fundamentalen Entscheidung.

 

Trend 4: Innovative Preis- und Abrechnungsmodelle finden zunehmend Anwendung.

Im privaten Bereich sind neue Preismodelle und die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung bereits klar wahrzunehmen. Die Selbstverständlichkeit mobilen Surfens, die zunehmende Bedeutung von Online-Käufen, die Preisgabe von privaten Daten und Informationen im Internet, digitale Bezahlformen, Sprachsteuerung und die Nutzung von Musik/Video/TV-Streaming-Diensten zeigen: In der Gesellschaft ist die Digitalisierung bereits fest verankert und eröffnet so auch die Möglichkeit für neue Preismodelle. Und auch im geschäftlichen Umfeld sowie vermehrt in der Industrie ist sie angekommen. Nutzungsbasierte Preismodelle (pay-per-use), Subscription Based Pricing und Price-per-Modelle (outcome, risk, click, etc.) kommen inzwischen in immer mehr Unternehmen zum Einsatz und lösen so Geschäftsmodelle ab, die auf hohen Anfangsinvestitionen und nicht auf regelmäßigen Zahlungen (‚Recurring Revenues‘) beruhen. Eine kostenlose Einstiegsvariante bieten Firmen ihren Kunden mit sogenannten Freemium-Modellen. Varianten davon sind das Free-to-play-Modell und das Pay-to-win-Modell für Computerspiele, in dem Zusatzangebote ebenfalls bezahlt werden müssen. Ohne Preisangabe arbeiten Pay-what-you-want-Modelle und Name-your-own-price-Modelle im Rahmen des sogenannten Participatory Pricing. Entscheidend ist, das optimale Preismodell für das eigene Unternehmen im B2C- oder B2B-Umfeld ausarbeiten.

 

Trend 5: Preispsychologische und verhaltenswissenschaftliche Aspekte werden vermehrt berücksichtigt.

Die vergangenen Jahrzehnte waren im Preismanagement vorwiegend durch den ‚Homo Oeconomicus‘ geprägt, der Entscheidungen ausschließlich auf wirtschaftlichen Aspekten basiert und durch Eigenschaften wie rationalem Verhalten oder Nutzenmaximierung geprägt ist, wie der ‚Duden der Wirtschaft‘ ausführt. Gerade in Konsumentenmärkten zeigt sich jedoch seit einiger Zeit die Tendenz, von diesem Idealbild abzurücken und verhaltenswissenschaftliche und preispsychologische Erkenntnisse bei der Preissetzung zu berücksichtigen. Die neuen Ansätze des Behavioral Pricing erklären häufig besser die Entscheidungen der Konsumenten im Rahmen eines Produktkaufs oder bei der Bewertung von Preisen. Nützliche Erklärungsansätze liefern Theorien wie etwa zu Mental-Accounting und die Prospekttheorie. Preiswahrnehmung, Preisfairness, Preispräferenz oder Preiszufriedenheit sind nur einige der Konstrukte, die dabei Anwendung finden und konkrete Auswirkungen auf Preisschwellen, Preisrundungen, Preisoptik, Preisanker, Preisimage und Preiskommunikation haben. Doch auch im B2B-Umfeld, das durch die bestehenden Einkaufsprozesse und die häufig vorhandene Buying Center Strukturen mehrheitlich sicherlich noch stärker dem Rationalitätsprinzip folgt, gewinnt dieser Ansatz zunehmend Bedeutung – wenn auch nicht bei der finalen Lieferantenauswahl durch den Einkäufer, sondern eher bei der inhaltlichen Freigabe durch die Fachabteilung.

 

Trend 6: Gesamthafte Sichtweise auf das Preismanagement wird sich in den Unternehmen durchsetzen.

Die Rolle des Preismanagement in Unternehmen durchläuft gerade einen grundlegenden Wandel. Es überwiegt vielmehr die Erkenntnis, dass die Preisstrategie einen wesentlichen Teil der Unternehmensstrategie darstellt. Hinzu kommt - und dieser Trend wird sich auch in den kommenden Jahren fortschreiben, dass der Blick auf den Preis durch eine gesamthafte Sichtweise ergänzt werden muss. Dazu gehört neben der Optimierung des gesamten Gross-to-net-Modells vor allem die Etablierung effizienter und effektiver Pricingprozesse unter Berücksichtigung eines Pricingmethodenmix statt eines Einheitsvorgehen. Dies bedingt eine strukturierte Preisorganisation im Unternehmen mit durchsetzbaren Eskalationsstufen und klaren Verantwortlichkeiten. Gerade im internationalen Kontext ist die konkrete Ausgestaltung des Governance Modells von herausragender Bedeutung. Wurde in der Vergangenheit sehr stark auf dezentrale Entscheidungswege auch im Preismanagement gesetzt, sind aktuell deutliche Tendenzen für eine stärkere Zentralisierung zu erkennen. Dies muss nicht zwangsläufig mit einem Kompetenzzuwachs im Headquarter einhergehen, sondern kann auch in Form einer Aufwertung von regionalen oder überregionalen Kompetenzzentren erfolgen. Dort sollte auch ein effektives Preiscontrolling angesiedelt sein, um die vertriebliche Preisdurchsetzung mit entsprechenden KPIs, Reports und Cockpits zu unterstützen. Eine elementare Aufgabe liegt dabei auch in der Implementierung der notwendigen IT Systeme und gegebenenfalls einer Pricing-Software, die durch das passende Change Management und Pricing Training ergänzt wird.

 

Fazit

Durch diese sechs Trends wird das Preismanagement in den kommenden Jahren einen grundlegenden Wandel unterliegen. Vor diesem Hintergrund gehört es zu den Kernaufgaben von Unternehmen, zu bewerten, wie diese Trends das eigene Preismanagement beeinflussen werden, und für sich festzulegen, in welche Richtung sich das Pricing unter diesen Umständen verändern soll. Das so erarbeitete Zielbild kann anschließend struktur- und ablauforganisatorisch implementiert werden.

 

 

Autoren:

Prof. Dr. Markus B. Hofer, geschäftsführender Partner

 

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